Gerade komme ich zurück von einer Lesung der Autorin und Geschichtenerzählerin Mehrnousch Zaeri-Esfahani aus ihrem Buch „33 Bogen und ein Teehaus“ im K26 am 20.7.16. Das Buch und die Lesung sind eine Mischung von Scheherazade aus 1001 Nacht und Flüchtlingsgeschichten aus dem 2. Weltkrieg meiner Mutter. Ungefähr 50 Interessierte besuchten die Veranstaltung, die neben dem AK Asyl Ettlingen auch von der Buchhandlung ABRAXAS initiiert wurde. Diejenigen, die an diesem Abend dabei sein konnten, wurden begeistert, belustigt und tief berührt von den Geschichten, die uns die Autorin teils erzählte und teils vorlas.
Die Bücher „33 Bogen und ein Teehaus“ und „Das Mondmädchen“ stellen die Autobiographie der noch jungen Autorin aus dem Iran dar, die vor ca. 30 Jahren zunächst für zwei Stunden mit ihrer Familie in die DDR floh und dann umgehend, wie erwartet, in den Westen ausgewiesen wurde. Während „Das Mondmädchen“ die Phantasiewelt der kleinen Mehrnousch beschreibt, die als Kind in einer Diktatur aufwächst und schließlich flieht, zeigt das Buch „33 Bogen und ein Teehaus“ wie es „wirklich“ war, und zwar konsequent aus Sicht der kleinen Mehrnousch. Entsprechend sollte der interessierte Leser mit „33 Bogen und ein Teehaus“ beginnen und danach das andere lesen.
Wie kam Zaeri-Esfahani zum Schreiben dieser Bücher? Jahre nachdem sie in Deutschland heimisch wurde, half sie Flüchtlingen in Asylverfahren oder bei der täglichen Bewältigung ihrer persönlichen Anliegen. Alles fing damit an, dass sie die Geschichten für Flüchtlinge festhielt, die sie im Rahmen ihrer Betreuung und somit einen entscheidenden Unterschied bei Asylverfahren und Richtern erzeugen konnte. Ihre persönliche Beschreibung von Situationen und Geschichten machte manchmal den Unterschied, ob ein Entscheider einem Asylantrag zustimmte oder nicht. Was zu kurz kam bei aller Aufopferung für andere Menschen, war die Trauerarbeit über den eigenen Verlust der Heimat und Kultur.
Zaeri-Esfahani wusste, dass es Zeit war, ihre eigene Geschichte aufzuschreiben und begann sich zu erinnern und ihre Autobiographie zu schreiben. Und nun wird es mystisch. Eines Tages erschien ihr eine Fee mit blauen Haaren nachts um zwei Uhr und setze ihr den Floh ins Ohr, die Geschichte dieser Fee nieder zu schreiben. Ich hätte mich in dieser Situation umgedreht und weitergeschlafen, aber Zaeri-Esfahani hörte ihr zu, denn die Fee ließ sie auch in den kommenden Wochen nicht zur Ruhe kommen. Neben dem Schreiben ihrer Autobiographie entschloss sie sich, diese zweite Geschichte aufzuschreiben. Das Resultat war nicht geplant, es entstand spontan, eingeschlossen in einem Tagungshaus bei drei Mahlzeiten täglich und abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Sie schrieb rund um die Uhr rein aus dem Unterbewussten heraus. Das Ziel war nicht Geld mit diesem Buch zu verdienen, es sollte ein Buch zur Reinigung der eigenen Seele sein.
Hier nur ein kleiner Einblick in den Beginn ihrer Geschichte.
Die Flucht ging über den Iran in die Türkei nach Deutschland. Grund war ein geplantes Gesetz im Iran, das die Ausreise von mindestens 15 Jährigen ins Ausland verbot, da diese als Reservisten für den Iran-Irak-Krieg gebraucht wurden. Da der älteste Sohn der Familie hiervon betroffen war und man ihn nicht wie so viele andere junge Männer alleine nach Europa schicken wollte, entschied sich die Familie gemeinsam dem iranischen Regime den Rücken zu kehren und als Touristen getarnt in die Türkei zu reisen. Nach zehn Monaten des Wartens, ergab sich eine unglaubliche Möglichkeit der Weiterreise. Die DDR nahm die Familie für zwei Stunden auf, um sie danach in die BRD abzuschieben. Die DDR schickte auf diese Weise Tausende Flüchtlinge in die BRD, die diese nicht zurückschieben konnte. Dies war nur eine Aktion des Kalten Krieges. Nichts desto trotz, rettete sie letztendlich das Leben des Sohnes.
Über die Zeit in der Türkei erfahren wir in der Lesung so gut wie nichts. Sie muss für die kleine Mehrnousch trotz Armut und Hoffnungslosigkeit sehr schön gewesen sein, denn sie fühlte sich dort schon nach zehn Monaten wie zu Hause. Weiter geht es um die ersten Erlebnisse im Westen, im Kaufhaus des Westens und später in Karlsruhe und Heildeberg.
Ich bin gespannt auf weitere Geschichten, die ich von Mehrnousch Zaeri-Esfahani lesen werde. Ich möchte Sie ermuntern, das Buch zu kaufen und einzutauchen in die Welt eines Flüchtlingskindes. Sicher wird es Ihnen wie mir gehen. Sie werden lachen und im gleichen Moment werden Sie Tränen vergießen. Aber sicher wird es Sie nicht kalt lassen oder Sie müssen sich fragen: „Warum?“
Ein unvergesslicher Abend incl. meiner Flasche Rotwein geht zu Ende, die mich beim Schreiben dieses Berichts bis tief in die Nacht begleitet hat.
Danke Mehrnousch Zaeri-Esfahani!
Ulf Rösler