Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Georg Rammer
MenschenRechte – und wer sie verhindert
Die guten Nachrichten zuerst: 122 Staaten stimmten in der UN für ein Verbot von Atomwaffen – gegen den Druck der großen Atommächte und der NATO-Staaten einschließlich Deutschland. Durch ein weiteres Abkommen sollten Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte und zur Haftung bei ihrer Verletzung verpflichtet werden. Motto: Menschen vor Profit. Auch dieses Abkommen wird bekämpft, die Verhandlungen boykottiert: Von Großkonzernen, ihren Lobbyverbänden und Regierungen (auch der deutschen), die nur freiwillige Regelungen akzeptieren wollen.
Solche Verträge lassen einen Wandel in internationalen Beziehungen erkennen: Die armen Länder des Südens beginnen, sich gegen Ausbeutung und ungleiche Verträge zu wehren. Sie könnten ein Lichtblick sein angesichts der katastrophalen Zustände und der weltweiten Bedrohung der Menschen: Zunahme von Hunger in der Welt und extremer Armut in Afrika, Hunderte bewaffnete Konflikte, 65 Millionen Menschen auf der Flucht, krasse Ungleichheit: Die reichsten acht Personen verfügen über ein Vermögen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, also etwa 3,7 Milliarden Menschen.
65 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Hunger? Wachsende Armut in Afrika – trotz der unermässlichen Reichtümer an Bodenschätzen und Rohstoffen? Oder gerade wegen der Reichtümer? Mali zum Beispiel ist reich an Gold und Uran, gehört aber zu den ärmsten Ländern der Erde, derzeit zusätzlich belastet durch einen Krieg. Die weltbeherrschenden kapitalistischen Staaten und transnationale Konzerne betrachten afrikanische Länder keineswegs als Partner, sondern als Quelle billiger Rohstoffe und als Absatzmarkt für eigene Produkte. Statt Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung anzubauen setzen Investoren auf Exportgüter etwa für Biosprit. Eine Armada GPS-gesteuerter Maschinen auf geraubtem Land arbeitet für die Märkte wohlhabender Länder. Riesige Industriefangschiffe fischen die Küstengewässer leer – die Fischer verlieren ihre Lebensgrundlage.
Aber „wir“ geben doch Entwicklungshilfe! Wirkliche Hilfe ist selten. EU-Regierungen geben vielmehr Steuergelder für die Investitionen der Konzerne, die Landwirtschaft wird nach Profitkriterien von Monsanto, Bayer, BASF etc. umgebaut, die Kleinbauern vertrieben, die industrialisierte Landwirtschaft mit Pestiziden, Herbiziden und genverändertem Saatgut betrieben. Landgrabbing für Monokulturen beherrschen das Feld und berauben 100 Millionen Kleinbauern ihrer Existenz. Nahrungsmittelkonzerne („Big Food“) verdrängen lokale Märkte und zerstören die Gesundheit der Menschen mit billigem Junkfood. Neoliberale „Strukturanpassungsprogramme“ des IWF sorgen genauso für Massenelend und Korruption wie die Freihandelsverträge („Economic Partnership Agreement“) der EU, die nur die Interessen der Konzerne bedienen und die Märkte unbegrenzt für Güter und Dienstleistungen der reichen Länder öffnen sollen. Besonders Konzerne aus dem Energie- und Rohstoffsektor berauben die Armen: Durch die Steuervermeidung multinationaler Unternehmen verlieren arme Länder jedes Jahr mindestens 100 Milliarden US-Dollar, die für Bildung und Gesundheit fehlen. Täglich sterben 15.000 Kinder unter fünf Jahren an vermeidbaren Krankheiten, wie ein UN-Bericht ausweist. Sogar der CSU-Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit stellt fest: „Unser Wohlstand fußt auf Ausbeutung Afrikas. Afrika braucht fairen Handel statt freien Handel. Freier Markt heißt das Recht des Stärkeren.“
Offensichtlich spielen Menschen, ihre Bedürfnisse, ihre Gefühle, ihr Leben bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen der „westlichen Wertegemeinschaft“ keine Rolle. Die Menschenrechte – dabei insbesondere die wirtschaftlichen, sozialen undkulturellen (WSK-)Menschenrechte der UN-Sozialcharta – werden missachtet. Die Prinzipien der UN-Charta, eine Basis des Völkerrechts, werden ebensowenig beachtet wie die UN-Kinderrechtskonvention. Während USA und EU – an der Spitze Deutschland – angeblich weltweit für die Menschenrechte kämpfen, mit der ganzen Gewalt hochtechnisierter Waffenarsenale, verschweigen sie und die meinungsbildenden Medien wohlweislich die Inhalte dieser internationalen Rechtssysteme.
Im Jemen bedrohen Hunger und Krankheiten 2,2 Millionen Kinder, seitdem Saudi-Arabien dort Krieg führt. Das hindert die Bundesregierung keineswegs, die feudale, Terror verbreitende Regionalmacht der Saudis mit Waffen hochzurüsten. Deutschland ist dabei, wirtschaftliche und strategische Interessen mit Militärgewalt weltweit durchzusetzen. Denn die deutsche und europäische Wirtschaft bezieht ihre Rohstoffe meist aus den armen Ländern des Südens – ohne Rücksicht auf Menschenrechte und Umwelt. Die Verteidigugspolitischen Richtlinien der Bundeswehr stellen klar: „…Ausbreitung von Wüsten-, Wasser- und Bodenverknappung (…) und erhebliche Wohlstandsunterschiede, verbunden mit sozialen Disparitäten führen zu weltweiten Migrationsströmen. (…) Freie Handelswege und gesicherte Rohstoffversorgung (sind) für Zukunft Deutschlands von vitaler Bedeutung.“ Der Einsatz aller Mittel ist „Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens.“
Deutschland und die EU schaffen also Fluchtursachen und bekämpfen die Flüchtlinge. Mit erschreckender Gleichgültigkeit wird billigend in Kauf genommen, dass im Jahr 2016 etwa 5000 Menschen im Mittelmeer umkommen. Die EU schottet sich mit allen militärischen Mitteln gegen das von ihnen mitverursachte Elend ab, richtet in Libyen grausame Konzentrationslager ein und verlagern die EU-Außengrenzen in das subsaharische Afrika. (Wikipedia: „Der Begriff „Konzentrationslager“ wurde erstmals offiziell im deutschen Sprachraum in den Jahren 1904/05 verwandt, um Internierungs- und Sammellager für gefangene Herero und Nama zu bezeichnen.“)
In Deutschland gab es im letzten Jahr 3553 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. Seit 1990 forderte rechtsextremer Terror 179 Todesopfer. Warum ist von ihnen nie die Rede? Offensichtlich hat die neoliberale Politik der Ungleichheit eine Haltung gefördert, die von der Forschungsgruppe um Prof. Wilhelm Weitmeyer als menschenfeindlich charakterisiert wird. Grundlage ist die Behandlung der Menschen nach ihrer Nützlichkeit und Verwertbarkeit. Empathie und Kooperation haben in der neoliberalen Ideologie keinen Platz, sie gelten als marktfeindlich, also schädlich. Der neoliberale Kapitalismus schafft eine Haltung des Sozialdarwinismus und ist nicht bereit und in der Lage, eine gerecht und friedliche Welt zu schaffen. Sogar der Papst stellt fest: „Diese Wirtschaft tötet.“ Es bleibt unsere Aufgabe, Menschenrechte und echte Demokratie zu verwirklichen, für Menschen.