Rückblick zur Asylopoly-Veranstaltung vom 24. April 2015
Spielerisch sich einem ernsten Thema wie dem „Asylverfahren”, den rechtlichen Hintergründen, sowie dem gefühlten Druck der Asylbewerber zu nähern, scheint unmöglich. Doch „Asylopoly” unter fachkundiger Anleitung einer langjährig erfahrenen Sozialarbeiterin, deren Familie selber vor 30 Jahren fliehen musste, schaffte das Unmögliche. Eine ca. zehnköpfige Gruppe von ehrenamtlichen Helfern vom „Arbeitskreis Asyl Ettlingen”, die sich auf künftige Beratungsaufgaben für Flüchtlinge einstimmen wollten, erlebte ein Spiel, das an die eigene Haut (siehe Foto) und im übertragenen Sinne unter die eigene Haut ging.
Anfangs durfte jeder von uns einen Zettel ziehen, auf dem unsere Rolle als Asylbewerber näher beschrieben wurde. So bildeten sich vier Gruppen, die sich darin unterschieden, auf welchen Wegen sie nach Deutschland gelangten, ob mit dem Flugzeug oder auf dem Landweg oder, in wie weit sie bereits in einem anderen EU Land registriert wurden, bevor sie deutschen Boden erreichten.
Ich hatte gleich das Pech, dass mir aufgrund zweifelhafter Beweise nachgewiesen wurde, dass ich über Bulgarien, einem umstritten sicheren Drittstaat, eingereist sei. Das bedeutete, wie bei Monopoly: „Gehe nicht über Los, ziehe keine 4.000 DM ein und begib Dich direkt in die Abschiebehaft!”. Zwar hätte ich theoretisch eine Chance, mit einem guten Anwalt die Abschiebung nach Bulgarien zu verhindern, aber wer hat diesen Anwalt schon, wenn er die deutsche Sprache nicht spricht, niemanden vor Ort kennt und geschweige denn schon einmal etwas von einem Rechtssystem mitbekommen hat. Aber mal ehrlich gesagt, wenn ich das Spiel Revue passieren lasse, wüsste ich trotz meiner Standortvorteile auch nicht zwingend, was zu tun wäre, um nicht postwendend abgeschoben zu werden. Zwar erhalten die Flüchtlinge in ihrer Sprache eine Rechtsauskunft, aber wie sollen sie diese vollständig und mit allen Konsequenzen verstehen, wenn ich damit schon als Deutscher Schwierigkeiten habe. Nun gut, um eine Chance zu haben, benötigte ich Zeit, um mich organisieren zu können, einen Anwalt zu finden und dergleichen. Ich verschwand also im Spiel in die Illegalität, in der Hoffnung einmal Licht am Ende des Tunnels zu erblicken. Aber das Schicksal meinte es wiederum nicht gut mit mir. Ich wurde gefasst und letztendlich doch ausgewiesen. Ich war sozusagen „erledigt”.
Anderen ging es besser. Sie wurden als Asylbewerber erster, zweiter oder dritter Klasse anerkannt, je nach Anerkennungsgrund. Oder sie verliebten sich in Deutsche und wurden zu glücklichen Ehepartnern oder entschieden sich mehr oder weniger freiwillig, doch zurück in ihre Heimat zu gehen. Vielen von uns wurde jedoch das Asyl verwehrt, weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Die Begründungen dafür hatten in meinen Augen sehr oft formellen Charakter, um Asylbewerber in andere europäische Länder zu schicken. Sie befassten sich weniger damit, dass man einem Menschen helfen muss, der vor einem steht und der Hilfe benötigt.
Alles, was wir spielten, hatte einen realen Hintergrund. Es waren Fälle aus der Praxis, die die Sozialarbeiterin uns so nah brachte, dass man sich ein wenig in die schwierige Lage der Asylbewerber hineinversetzen konnte. Wir können glücklich sein, in einem Rechtsstaat zu leben, auch wenn es unsere Bürokratie einem Asylanten nicht einfach macht, Asyl zu erhalten. Aber ich möchte mir nicht ausmalen, wie es wäre, wenn ich Schutz außerhalb von Deutschland suchen müsste.
Wir Deutschen haben den angenehmeren Part in diesem „Spiel”, das sollten wir nie vergessen.