Am vergangenen Freitag nahmen über 100 Menschen an der Seebrücke Kundgebung teil. Zu den Forderungen hier der Redebeitrag von Konstanze Stein für den AK Asyl:
„Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, schön, dass ihr alle da seid und dass diese Kundgebung heute hier stattfindet. Denn es ist bitternötig, viele Zeichen zu setzen: gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung, die sozusagen Inhumanität zum Rechtsprinzip erklärt, gegen Rassismus und gegen Menschenfeindlichkeit. Wir können es nicht hinnehmen, dass die Rettung von Menschenleben keine Selbstverständlichkeit mehr ist, sobald es sich bei den Menschen um Geflüchtete im Mittelmeer handelt. Das tragen wir nicht mit. Daher setzen wir uns ein für eine offene Gesellschaft und sehen uns in der humanen Verantwortung den Menschen gegenüber, deren Schicksalswege weniger glücklich, sicher und geradlinig als unsere eigenen verlaufen sind.
Es wird niemand als Flüchtling geboren. Vor allem sein Umfeld macht einen Menschen zu dem, was er ist. Und Umstände heißen für Geflüchtete: Krieg, Terror, Verfolgung, Armut, Hunger, Klimakatastrophen. Diese Umstände bringen Menschen dazu, ihre Familie zu verlassen und meistens unsagbar große Risiken auf sich zu nehmen. Und an diesen Umständen hat auch die deutsche bzw. europäische Politik einen Anteil, beispielsweise durch unfaire Handelsabkommen mir afrikanischen Ländern, durch Waffenexporte oder den Export von Hähnchenresten oder second-hand-Kleidern in den globalen Süden, so dass einheimische Produzenten in die Armut getrieben werden.
Sicher, die Welt ist komplex und es gibt nicht nur eine Ursache und eine Lösung für die weltweiten Konflikte, gerade wenn wir an Länder wie Syrien oder Afghanistan denken, von wo aktuell fast 50% der Geflüchteten in Ettlingen kommen. Aber liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer – für die Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer ist eines dringender denn je: Sie muss sofort beendet werden und die beschlagnahmten Schiffe müssen herausgegeben werden. DIE SEENOTRETTUNG MUSS WEITERGEHEN.
Politiker sollten ihrer Verantwortung gerecht werden: nicht im rechten Lager nach Wählerstimmen fischen, sondern ein humanes Gesicht zeigen, das heisst: Nicht die Helfer auf dem Fluchtschiffen sind kriminell und unmenschlich, sondern diejenigen, die Menschen willentlich ertrinken lassen.
Nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind anerkannte Flüchtlinge solche, die verfolgt werden aufgrund von ihrer Ethnie, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung. Und auch nach Artikel 16 a unseres Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Aber wie sollen diese Menschen in sichere Zufluchtsländer kommen? Welche legalen Einreisemöglichkeiten gibt es nach Europa? Und deshalb: Wichtig ist eine Politik, die legale Fluchtwege ermöglicht.
Apropos der vermeintlichen Gefahren durch Geflüchtete: Kriminalität ist meistens männlich und jung, das ist so bei Deutschen wie auch bei Migranten. Sind Flüchtlinge als solche anerkannt, geht die Kriminalitätsrate unter ihnen deutlich zurück. Gesellschaftliche Integration und eine Lebensperspektive sind ein wesentlicher Schlüssel zur Vermeidung von Straffälligkeit.
Wir als AK Asyl Ettlingen wollen nicht, dass Ängste geschürt werden auf Kosten der Schwächsten in einer Gesellschaft, dass rassistische Parolen immer mehr um sich greifen, dass Sprache immer mehr verroht als Zeichen für Hass, Missgunst und Unsicherheit. Dazu sagen wir NEIN und setzen unser Engagement im AK Asyl dagegen.
Wir machen keine Schönfärberei, wir sehen ganz konkret, wie Menschen geprägt sind, nicht nur, weil sie aus anderen Kulturen kommen, sondern weil viele unsagbar schlimme und grausame Dinge erlebt haben, und wir sehen auch die Schwierigkeiten, mit denen diese Menschen hier zu kämpfen haben. Um es deutlich zu sagen: Die Migration ist nicht die Mutter aller Probleme, sondern es ist die zunehmende Kluft zwischen arm und reich, die Unsicherheit, Ängste und Spannungen bei einigen schürt.
Gerade deshalb gibt es den AK Asyl Ettlingen, um zu vermitteln und um für Geflüchtete ein Stück Wegbereiter zu sein. Wir unterstützen Geflüchtete bei der Orientierung im Alltag in Ettlingen und machen sie vertraut mit unserer Kultur, unserer Sprache und unserem Alltagsleben. Wir verstehen das als Starthilfe bei der Integration. Genau deshalb findet zum Beispiel jeden Donnerstagnachmittag das Begegnungscafe im K26 in Ettlingen statt, zu dem ich sie alle herzlich einlade. Zudem unterstützen wir mit Nachhilfe- und Deutschangeboten, reparieren zusammen mit Geflüchteten Fahrräder, begleiten Geflüchtete zu Ärzten, zu Anhörungen und vieles andere. Mit Blick auf mögliche Ängste und Vorbehalte der Ettlinger Bevölkerung verstehen wir uns als Vermittler und organisieren verschiedene Veranstaltungen, die für alle offen sind.
Ich stehe hier zwar als Vertreterin des AK Asyl Ettlingen, aber ich denke es ist für uns alle selbstredend, dass wir alle sozial Benachteiligten im Blick haben und diese nicht gegenseitig ausspielen: Denn – gleiche Chancen auf Wohnung, auf Arbeit , auf Bildung usw. gelten für alle Menschen , egal ob Mann oder Frau, ob mit Flucht- und Migrationshintergrund oder sonstiges.
Ich habe gestern auf die Website der Seebrücke-Aktion geschaut und war beeindruckt: Jeden Tag finden in mehreren deutschen Städten Aktionen statt. Wir sind heute mit Menschen aus Münster, Oldenburg, Düsseldorf und Blomberg ein Teil dieser großen Bewegung, lasst uns daran weiterarbeiten, lasst uns zusammen aktiv werden für ein humanes Zusammenleben in dieser Stadt.“